Das Vinzenzifest - Egerländer Erntedankfest im Zeichen des Heiligen Vinzentius

Das 1. Vinzenzifest fand am 6. Dezember 1693 in Eger statt. Der sichtbare Anlass dazu war die feierliche Überführung der Reliquien des Hl. Vinzentius in die Stadtkirche St. Niklas. Der tiefere Grund dafür ist wohl in dem erfolgreichen Abschluss der Gegenreformation in Eger und seinem Umland zu suchen.

Am 4. Februar 1652 befahl Kaiser Ferdinand III. dem Rat der Stadt Eger, mit dem Reformationswerk fortzufahren, allen Untertanen in Stadt und Land ohne Ansehen der Person einen Termin auf zwei Monate zur Bekehrung anzusetzen und alle jene, bei denen keine Hoffnung zur Rückführung zum Katholizismus bestehe, wie bereits anno 1629 und 30 geschehen, zur Emigration anzuhalten und verfügte, dass diese ohne kaiserliche Einwilligung nicht wieder in das Land kommen dürften. In einem Schreiben an das bischöfliche Konsistorium in Regensburg vom 5. Juni 1652 berichtete der Rat der Stadt, dass diese Aktion mit Erfolg im Gange sei. Aber erst aus dem Jahre 1673 findet sich ein letzter Bericht der Reformationskommissäre in den Akten des Egerer Stadtarchivs.

Zu Beginn der neunziger Jahre waren nachweisbar die letzten zwangsweise katholisch gewordenen Bürger Egers gestorben; damit konnte die Gegenreformation als restlos abgeschlossen betrachtet werden. Als äußeres Zeichen dieses endgültigen Sieges des Katholizismus erhielt Eger um diese Zeit die Reliquien des in der römischen Kaiserzeit als Märtyrer durch das Schwert hingerichteten Hl. Vincentius, dessen Leichnam in Rom nahe der Via Amelia beigesetzt war.

Als Papst Alexander VIII. die sterblichen Überreste des Heiligen bergen ließ, übergab er diese kostbaren Reliquien dem Kardinal Graf von Kolonitsch, der sie im Jahre 1689 nach Wien überführen ließ.
 

Der Kardinal Johann Leopold Graf von Kolonitsch, der lange Jahre Kommandeur der in Eger bestandenen Maltheserkommende gewesen war, ein der Stadt Eger und deren Bürgern wohlgesonnener, frommer Mann stiftete diese Reliquie 1692 der Kirche St. Niklas zu Eger. Ihre Übergabe an die Abgesandten der Stadt, Bürgermeister Johann Philipp Martini und Syndikus Adam Christoph Wagner, erfolgte am 8. Oktober 1693 in Wien. Da bei deren Rückkehr nach Eger am 18. Oktober die Vorbereitungen zur feierlichen Übertragung der Reliquie in die Stadtpfarrkirche noch nicht beendet waren, wurde sie zunächst auf dem Altar der Rathauskapelle beigesetzt.

Für die feierliche Überführung in die Stadtkirche wurde der Gedenktag des Patronatsheiligen St. Niklas, Sonntag der 6. Dezember bestimmt und Papst Innozenz XII. gewährte aus diesem Anlass einen vollkommenen Ablass. In der verbleibenden Zeit wurde ein kostbarer Reliquienschrein angefertigt und die kirchliche Feier vorbereitet, zu der sämtliche im Egerer Land gelegenen Kirchspiele eingeladen wurden. Der Jesuitenpater Johann Miller schreibt in seiner, erstmals 1694 bei Nikolaus Dextors Witwe in Eger gedruckten „Egra sancta, das ist Kurtzer Bericht von denen heiligen Reliquien, welche in der Stadt Eger aufbewahrt werden“, über den Ursprung des Festes:

"Der Leib des heiligen Vinzenz, römischen Märtyrers, wurde auf Befehl Sr. päpstlichen Heiligkeit Alexander VIII. aus seiner bisherigen Ruhestätte erhoben und dem Kardinal Johann Leopold Grafen v. Kolonitsch am 16. November 1689 zu Rom eingehändigt, welcher diese kostbare Reliquie nach Wien überführen ließ. Kardinal Graf v. Kolonitsch war lange Jahre Kommandeur der in Eger bestandenen Maltheser-Kommenda. Aus Anhänglichkeit an diese Stadt verehrte derselbe die obenerwähnte Reliquie, welche sich bis zum 8. Oktober 1692 in seinem Palaste zu Wien befand, der Kirche zum Hl. Niklas in Eger. Die Übergabe des Leichnams Sancti Vincentii erfolgte an die Abgeordneten der Stadt Eger, nämlich an den Bürgermeister Johann Philipp Martini und den Syndicus Adam Christoph Wagner zu Wien an demselben Tage. Am 18. Oktober des gleichen Jahres traf die Deputation wieder in Eger ein und da die nötigen Anstalten zur öffentlichen feierlichen Übertragung in die Stadtpfarrkirche zum Hl. Niklas noch nicht beendet waren, so wurde die Reliquie einstweilen auf dem Altar in der alten Kapelle des Rathauses beigesetzt. Die Freude über dieses Ereignis war in Eger eine allgemeine. Der Magistrat betrieb mit Eifer die Vorbereitungen zum möglichst feierlichen Umgange. Es wurde ein schöner kostbarer Reliquienkasten angefertigt. Se. päpstliche Heiligkeit Papst Innocenz XII. verlieh für den Übertragungstag einen vollkommenen Ablass. Zur feierlichen Übersetzung, wurde der 6. Dezember 1693, der Gedächtnistag des Hl. Niklas, welcher damals auf einen Sonntag fiel, festgesetzt. Hiezu wurden alle im Egerlande gelegenen Kirchspiele eingeladen. Die Einwohner der Stadt hatten sich tags vorher durch freiwilliges Fasten hiezu vorbereitet. Mit anbrechendem Morgen versammelte sich das Volk aus der Stadt und den geladenen Kirchspielen in der Kirche, von da aus begab es sich nach gehaltener Frühmesse und Predigt prozessionsweise vor das Rathaus, wo ein Theater aufgerichtet war und ein auf das eben beschriebene Fest Bezug nehmendes religiöses Schauspiel von der studierenden Jugend aufgeführt wurde. Nach dessen Beendigung setzte sich der Zug in folgender Ordnung in Bewegung. Den Anfang machte die deutsche Schuljugend mit ihrer Fahne, ihr folgten die eingepfarrten Dorfschaften Albenreut, Treunitz, Lohma, Trebendorf, Nebanitz, Mühlessen, Frauenreut und Mühlbach. Nun kamen in ihrer Ordnung die lateinische Bruderschaft Unserer lieben Frau mit ihrer Fahne, Umbelle und dem Bildnis Mariä, die Stadt- und Kirchenmusiker, die Glieder des Ordens des Hl. Franziskus und des Dominikanerordens. Nach diesen Religiösen folgten 40 schön gekleidete Knaben, vier und vier, in deren Mitte die Statuen des Hl. Niklas und der Hl. Elisabeth, als Patronen der Pfarr­kirche, getragen wurden, darauf die Kuratgeistlichkeit im Kirchenornate und darnach der Reliquienkasten mit dem Hl. Leichnam, von acht Priestern getragen, welchem der Stadtmagistrat, der Adel, die Bürgerschaft, Bruderschaften und endlich die übrigen andächtigen Teilnehmer des Umganges folgten. Während der Prozession wurde mit allen Turmglocken geläutet. Auf dem Ring stand die Stadtgarnison mit fliegender Fahne unter klingendem Spiele in Gewehr. Die Prozession nahm ihren Weg durch die vornehmsten Gassen über den Stadtring in die Pfarrkirche, wo die heilige Reliquie auf dem dazu bestimmten Altar beigesetzt wurde. Den Beschluss dieser erhebenden Feierlichkeit machten eine Lobpredigt und ein feierliches Hochamt mit dem ambrosianischen Lobgesang."

Seit 1694 feiern die Egerländer ihr Vinzenzifest alljährlich am letzten Sonntag im August, als Erntedankfest.

 

 

Unterbrochen wurde die alte Tradition durch die Vertreibung der Egerländer aus ihrer angestammten Heimat in Folge des Zweiten Weltkriegs. Viele Egerländer hat es in den Nachkriegswirren nach Süddeutschland verschlagen. So kam es, dass sich auch in Wendlingen am Neckar zahlreiche Menschen aus dem Egerland niedergelassen haben.

Am 24. Juli 1949 gründete Anton Rödl im Gasthof Löwen die Egerländer Gmoi Wendlingen am Neckar, die sich intensiv der Brauchtumspflege aus der alten Heimat annahm. Walter Helm, ein echter Egeraner, regte 1951 an, das Egerer Stadtfest in Wendlingen am Neckar aufleben zu lassen. 1952 war es dann soweit: Am 30. und 31. August feierten die Egerländer ihr erstes Vinzenzifest in der neuen Heimat. Den Mittelpunkt des Festes bildete die Pontifikalmesse auf der Unterboihinger Schützenwiese und der anschließende Festzug vom Bahnhof zum Festplatz.

In den 70er und 80er Jahren verlagerte sich der Standort der Veranstaltung und das Vinzenzifest wurde hinter dem Rathaus gefeiert. Von 1983 bis 1991 fand das Festgeschehen auf dem Parkplatz der Firma Otto statt, bevor es 1992 auf dem Festplatz am Schäferhauser See umzog.

2009 kehrte das Festgeschehen wieder in die Stadtmitte zurück.

Die ursprüngliche Bedeutung eines Erntedankfestes soll wieder verstärkt hervorgehoben werden. Unter der Wahrung der traditionellen Inhalte des Festes – Prozession und Erntedankgottesdienst, Krämermarkt und Unterhaltungsprogramm – wird das Vinzenzifest auch in diesem Jahr wieder - statt am letzten Augustwochenende wie bisher - Ende Juli stattfinden.